Römerstrasse von Franzensfeste

Forschungsgeschichte:

Die ersten archäologischen Funde im heutigen Gemeindegebiet von Franzensfeste, insbesondere im Bereich Reif/Blasbichel, kamen in der Mitte des 19. Jh. zum Vorschein (bis 1878 "gegenüber Franzensfeste am Ufer des Eisacks"), wobei es sich um einige (zumindest drei) römische Münzen handelte, darunter eine Münze des Antoninus Pius(138-161) und des Marcus Aurelius (161-180).
Möglicherweise bereits damals als auch später, wurde der Weg am linken Eisackufer unter dem Blasbichl am Römerweg bezeichnet.
Gezielte Untersuchungen fanden 1937 durch I. Mader statt, der einen kurzen Abschnitt mit Fahrrillen entdeckte, die teilweise aus dem Felsen gemeißelt waren. Seit Ende der 30er Jahre wurde die Römerstraße von Franzensfeste in Fachpublikationen oft zitiert, sowohl vor dem 2. Weltkrieg seitens italienischer Forscher (Soler 1938, de Bon 1940), als auch später in deutschsprachigen Veröffentlichungen (Bulle 1947, Franz 1951, Kramer 1957). Seit dem Ende der 50er Jahre ging das Interesse daran jedoch vollkommen verloren.

Weitere Untersuchungen (R. Lunz, G. Rizzi in den 80er Jahren) bestätigten die ersten Fundvorkommen.
Auf Anregung von L. Dal Ri und A. Alberti fanden 1989 neuerliche Untersuchungen statt, um den Erhaltungszustand der Römerstraße zu prüfen und das Areal sowohl für Forscher und Interessierte als auch Touristen zu adaptieren.
Diese ersten archäologischen Untersuchungen bestätigten die Existenz verschiedener gut erhaltener Trassenabschnitte auf einer fast durchgehenden Gesamtlänge von 140 m. So wurde die Idee geboren, Schritt für Schritt (1990-2006) und mit dem Einverständnis der Gemeinde Franzensfeste (J. Wild) einen archäologischen Park entlang der Römerstraße zu schaffen, der nach einem Projekt des Architekten L. Bardelli realisiert wurde.


Die Ausgrabung der Römerstraße Franzensfeste-Reif:

Der Fundort liegt auf dem Gemeindegebiet von Franzensfeste in der Flur Reif am linken Eisackufer unterhalb des Blasbichl. Teilweise handelt es sich um einen Feld- und Forstweg zwischen der Brücke von Franzensfeste und den Feldern des Blasbichl, der auf den Feldern endete.

Während der Freilegungs- und Konservierungsarbeiten im Zuge ihrer Musealisierung, wurden an der Römerstraße neue Grabungs- und Dokumentationsarbeiten in Angriff genommen.
Diese betrafen insbesondere den mittleren und südlichen Abschnitt, wo deutliche Überreste einer ersten Bauphase festgestellt werden konnten, die bis dato nur andeutungsweise bekannt war. Dabei handelt es sich um einen relativ gut erhaltenen Abschnitt samt Fahrrille unterhalb des bereits im Vorfeld freigelegten Straßenbelags. Somit konnten die Bau- und Benützungsphasen der Römerstraße von Franzensfeste geklärt werden, die allesamt in die römische Kaiserzeit datieren. Im Anschluss an eine erste Phase wurde möglicherweise aufgrund von Murenabgängen eine Neuadaptierung nötig, wobei man den Verlauf leicht abänderte und den alten Belag abschnittsweise erneuerte.
Die Arbeit umfasste die Reinigung aller, während der vorangegangenen Grabungskampagnen freigelegten Straßenabschnitte, sowie deren zeichnerische und fotografische Dokumentation und einige Detailuntersuchungen zur Lokalisierung möglicher weiterer Beläge. Am südlichen Ende wurde - begünstigt durch das Fehlen des zweiten Belages -ein Teil des ersten Straßenbelags freigelegt, während bergseitig die originale Terrassierungsmauer aus Konservierungs- und Sicherheitsgründen vorsichtig ab- und anschließend wieder aufgebaut wurde.
Im mittleren Abschnitt gelang die definitive Lokalisierung des bisher zweifelhaften Trassenverlaufs. Nunmehr steht fest, dass die Trasse in einer ersten Phase weiter talseitig verlief, und erst später möglicherweise aufgrund eines Erdrutsches weiter bergseitig direkt auf den Felsen verlegt wurde.

Der freigelegte Straßenabschnitt erstreckt sich insgesamt auf fast durchgehende 140 m.
Es lassen sich vier verschiedene Bautechniken beobachten, die ja nach Bedarf angewandt wurden:

A: aus dem Felsen gehauene, im Hanganschnitt verlaufende Straße mit Fahrrillen;
B: Straße über einem Erdwall mit einem Pflaster aus anstehendem Gestein (Granit) und Fahrrillen; talseitig ist meist ein Sockelunterbau vorhanden;
C: Straße über einem Erdwall, die teilweise ein Pflaster aus lokal anstehenden Steinen besitzt, und zwar vor allem entlang der Fahrrillen oder auf dem Felsen (bergseitige Fahrrille);
D: Sraße über einem Erdwall mit in den Boden eingetieften und mit kleinen Steinen ausgelegten Fahrrillen.

Darüber hinaus zeichnen sich mindestens zwei Benützungsphasen ab.

  • Zu der ersten Phase gehören die aus dem Felsen gehauenen Abschnitte und der südliche Teil (Fahrrillen im Boden). Während dieser ersten Phase kamen durch die Adaptierung des Felsens und dem Anlegen von Fahrrillen im Boden hauptsächlich zwei Bautechniken (A und D)zum Einsatz.
    Aufgrund eines oder mehrerer, möglicherweise zeitgleicher hydrogeologischer Ereignisse (Muren, Erdrutsche), wurden einige Straßenabschnitte (der südliche und mittlere Abschnitt) zerstört und anschließend direkt darüber (südlicher Abschnitt) oder leicht bergseitig versetzt (mittlerer Abschnitt) wieder aufgebaut.
  • Die zweite Phase lässt sich vor allem an zwei Punkten der Trasse gut beobachten. Am südlichen Ende zeichnet sie sich oberhalb der ersten Phase (ca. 50 cm) und im Vergleich dazu etwas bergseitig versetzt, sowie von einer Stützmauer geschützt (mit crepidine an der Basis)ab. Im mittleren Abschnitt setzte man die Trasse instand, indem man sie anhob und den Berghang auf unterschiedliche Art und Weise neu adaptierte (Techniken C-C) sowie anschließend ein neues Pflaster verlegte, indem man die mit Fahrrillen ausgestatteten Steine der früheren Phase wieder verwendete (Technik B).

Was die Bau- und Benützungszeit betrifft, konnten keine datierenden Elemente gefunden werden, weshalb man für beide Phasen nur eine allgemeine Datierung in die römische Kaiserzeit vermuten kann (1.-4. Jh. n Chr.). Darüber hinaus ist mit einer Weiterverwendung dieser Abzweigung der via Claudia Augusta (Abschnitt Bozen-Innsbruck) bis in das Spätmittelalter (14. Jh.) zu rechnen. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde ein Abschnitt der alten Römerstrasse (vielleicht gerade der nunmehr freigelegte Abschnitt) während einer Überschwemmungskatastrophe mitgerissen und die mittelalterliche Straße deshalb bei Unterau mit der Ladritscher Brücke (Alte Brücke, im Gegensatz zur heutigen Brücke, der Hohen Brücke) über den Eisack geführt, während das linke Eisackufer später wieder bei Reif erreicht wurde.

Rein hypothetisch kann die zweite Phase in die Zeit der Generalsanierung der Trasse unter Kaiser Septimus Severus (193-211) datiert werden, von der uns nicht weniger als fünf Meilensteine berichten, die in das Jahr 201 datieren und im Eisacktal (Brixen, Trens, Sterzing) und Pustertal (Ehrenburg, Olang) zum Vorschein kamen. Sie weisen insbesondere auf die Instandsetzung der Trassen, Brücken und Meilensteine hin, die im Lauf der Zeit in Mitleidenschaft gezogen waren (...vias et pontes vetustate conruptas/miliaria vetustate collapsa restituerunt...).

Die Römerstrasse zwischen Brixen und Sterzing:

Die Römerstraße mündete bei Aicha am linken Ufer in das Eisacktal und führte auf dieser Seite bis nach Sterzing, da dieser Verlauf sowohl bequemer und sicherer als auch sonniger war. Zwischen Franzensfeste und Sterzing fanden sich bisher ganze vier Meilensteine (Mittewald, Mauls, Trens, Sterzing), einige Strassenabschnitte (Mittewald, Mauls, Valgenäun), zahlreiche Münzen (Mauls, Valgenäun, Sterzing) und andere aussagekräftige römerzeitliche Funde vor allem im Gebiet zwischen Mauls und Freienfeld, und zwar allesamt entlang des linken Eisackufers.